Der letzte Tag ist angebrochen. Die Sonne scheint nicht mehr, aber es ist schwül-warm, gerade in der U-Bahn. Ich schwitze sehr stark und bin lustlos. Es ist zwar zeitweise noch entspannend anonym in der Masse unterzugehen, doch ich vermisse meine gewohnte Umgebung und die ganzen lieben Menschen, die sich darin tummeln. Nur mühsam kann ich den Impuls unterdrücken, wildfremde Leute vollzuquatschen. Gut, dass ich mir für heute zwei Pressevorführungen rausgesucht habe, da gibt's wenigstens Gelegenheit zur Selbstdarstellung und ein paar Kollegen. Zuerst ging's in die Astor Film Lounge, das tolle Luxuskino auf dem Kudamm mit Parkservice, bequemen Sesseln und so. "Veronica beschliesst, zu sterben" hieß der durchaus beachtenswerte Film mit Sarah Michelle Gellar in der Hauptrolle, die sich redlich mühte gegen ihr Image als Scream Queen anzuspielen. Ein schönes Stück amerikanischen Independent-Kinos. Habe mich dann direkt auf die Pressebetreuerin Nicole Giesa gestürzt, deren Name ich von diversen Einladungen kenne, und sie hemmungslos zugetextet. Die Pressekollegen sind ein ebenso skurriles Panoptikum von Nerds wie hier in Düsseldorf. Die Ähnlichkeiten waren so groß, dass ich das Gefühl hatte in einem merkwürdigen Paralleluniversum gelandet zu sein, in der diesselben Leutchen von anderen Personen verkörpert werden mit der Einschränkung, dass ich nicht dazugehöre. Nach der Vorführung sah ich dann auch noch das Servicepersonal, das schlecht gelaunt und muffelnd daherkam, wahrscheinlich weil es in schlecht sitzende Uniformen gezwängt wurde. Dieses ganze Service-Getue scheint mir ein enormer Fake zu sein, der die extrem hohen Eintrittspreise bis 18 Euro pro Person keinesfalls rechtfertigt zumal auch mit dem Ton irgendwas nicht stimmte, denn es rumpelte an einigen Stellen ganz gehörig. Bei allem was ich hier bisher an Kinos gesehen habe, fehlt Charme und Engagement, wie ich es in Düsseldorf von uns gewohnt bin.
Als nächstes dann ins Filmkunst 66 in einer Nebenstraße vom Kuhdamm, das wie eine Mischung von Bambi und Black Box wirkt. Hier fand ich es eigentlich am schönsten. Die Doku "Kinshasa Symphony" handelt von einem Amateurorchester im Kongo, die unter widrigen Umständen klassische Musik zum Besten geben. Ein guter Film, den wir spielen werden und wahrscheinlich auch Besuch aus dem Kongo bekommen. Bei der letzten Berlinale konnte der Orchesterleiter leider nicht dabei sein, weil man ihm die Einreise verweigert hatte. Der Verleih Salzgeber bemüht sich, ihn im Rahmen der Kinotour zum Film doch noch nach Deutschland zu bringen. Nach der Vorführung war ich sehr, sehr hungrig und nach Döner, Currywurst und Asiasnack war mir nach einer Pizza. Ich bin dann zurück zum Kurt-Schumacher-Platz mit den tollen Flugzeugen, die darüber hinwegbrausen ,und gönnte mir den Besuch in einem italienischen Restaurant. Die Pizza Vegetale war ganz in Ordnung und das große Pils war vom Faß. Kein Grund zu meckern, denn der Preis hielt sich mit unter 10 Euro in Grenzen. Auf dem Rückweg ging ich dann an einem Schaukasten von irgendeiner Wohnungsbaugenossenschaft vorbei. Hmmh, 70 Quadratmeter-Wohnungen für 380 Euro kalt. Ziemlich günstig. Alleine und ohne Job würde ich hier aber niemals hingehen. Die Gefahr, sich im Moloch zu verlieren, wäre zu groß. Müde und nachdenklich im Hotel angekommen, ärgerte mich, dass der Flugverkehr meine Internetverbindung blockierte. Verdammt, selbst in der Pampa in der Schorfheide hatte ich mit meiner Vodafone-Card UMTS - und hier nix davon. Erwähnte ich schon, dass ich ziemlich schnell Heimweh bekomme? Der Gedanke, morgen wieder im Dorf zu sein, macht mich froh. Vielleicht ist es ja genau dieses Gefühl, weswegen man überhaupt wegfährt.
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1 Kommentar:
18 € Eintritt ? Für ne Vorstellung in nem so-called "Art-House" Kino in Berlin? kann doch nicht sein! Das wär nun wirlich ne Witz.
Da vermiss ich doch sehr die Staaten. Konobesuch 4 Euro. Dann gehgen die Leute auch ins Kino anstatt zu downloaden ;-)
Tja, Eric und jetzt stell dir mal vor 9 Monate alleine unterwegs zu sein, dann weisste, warum ich irgendwann kein Bock mehr hatte, trotz exotischer Kulisse.
Alleine Reisen ist anstrengend und weitentfernt, von Urlaub und abhängen …
Heute abend gehts in "Interception" in OmU zum Achim. manchmal muss es GROSSE LEINWAND sein.
Große Erwartungen, bei dem Mega-Hype.
und nein, du willst defintiv nicht allein in Berlin in ner PLatte wohnen, sondern in nem angenehmen Viertel.
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